Gespenstisch - so gut wie niemand unterwegs...
Jetzt haben wir die Weihnachts-Feiertage und den Jahreswechsel weitgehend hinter uns, ich habe noch Urlaub, der Lockdown wird garantiert bis Ende Januar fortgesetzt werden...
Es ist schon seltsam hier bei uns im Dorf. Man könnte meinen wir sind zu einem Geisterdorf geworden. Durch die Ausgangssperre ist nach 20 Uhr niemand mehr unterwegs, das Dorf wirkt tot. Heute habe ich nachmittags einen Brief zur Post gebracht, kaum ein Mensch war auf der Straße, dann wirkte das Dorf schon nachmittags wie tot, trotz des regen Autoverkehrs.
Heilbronn Innenstadt soll abends auch richtig gespenstisch sein. Und das alles in einer Jahreszeit, in der wir wenig Sonnenlicht haben, es immer noch früh dunkel wird.
https://www.youtube.com/watch?v=N0RnaNXwTaA |
Was macht es alles so gespenstisch?
Die Leute können ja nicht raus, also muss in jedem dieser Häuser und Wohnungen ein einzelner Mensch, eine Familie, oder ein älteres Paar wohnen. Da sitzen wir nun und haben jede Menge Zeit, die ich auf jeden Fall vertrödle: warum soll ich aufstehen, warum kochen, warum die Bude sauber machen, warum die notwendigen privaten Büroarbeiten erledigen? Wenn man sich dann aufgerafft hat, wird es ja schon bald wieder dunkel. Spazieren gehen macht nicht wirklich Spaß, da es draußen nieselig und matschig ist, mit der Kälte könnte man ja noch klarkommen. Die einzigen die hier in der Straße noch für Leben sorgen, sind die unermütlichen Paketdienste, da wir halt jetzt im Internet shoppen, wenn schon nichts anderes mehr geht.
Diese Situation erinnert mich an die Zeit nach meinem Abitur, da hatte meine Mutter einen Herzinfarkt erlitten und war genesend, aber deprimiert zu Hause. Bei mir war unklar wie es weitergehen würde, da der Nummerus Clausus in Psychologie sehr hoch war und ich Wartezeit einplanen musste, die ich in Frankreich verbringen wollte, dort aber noch keine Stelle (Aupair) hatte. Damals saßen meine Mutter und ich auch, mitten in der Stadt, auf einer einsamen Insel, mit dem Unterschied, dass wir nur aus dem Fenster sehen mussten, dort waberte das pralle, geschäftige Leben um uns herum. Es war ein schöner Spätsommer, im Übergang zum Herbst. Als wir uns schließlich aufrafften, unsere Depression überwanden, und lange Spaziergänge machten, war es dann sehr schön, auch wenn wir nur alten Menschen begegneten, die anderen arbeiteten wochentags. Die Sonne und die Natur hat uns belebt, die Menschen sahen wir nach wie vor aus dem Fenster, da niemand den wir kannten zu der Zeit in Böblingen war.
Heute können sich die, die einen Hund haben, glücklich schätzen. Sie müssen zwangsweise raus und erleben so die wohltuende Wirkung der Bewegung, des im Freien sein und sie haben eine Aufgabe. Mein Schwiegersohn, der als Musiker eine Zwangspause hat, hat mit seinem Hund wenigstens eine Tagesstrukturierung. Eine andere Freundin erzählte mir, dass sie durch den Hund, dieses Jahr die Natur so intensiv wie noch nie erlebt hätte. Die Hunde merken nichts von Corona, denen ist es egal, die haben auch nicht Angst vor Ansteckung, die machen einfach ihr Ding weiter, wie man so schön sagt.
Einsiedlern mag dieses veränderte Verhalten (nicht sichtbar sein), um sie herum wenig ausmachen, da sie sowieso in ihrem Schneckenhaus leben. Ich gehöre zu den Menschen, die sehr gut allein sein können, es aber lieben wenn Menschen um sie herum sind. Ich kann mich sehr gut beschäftigen, aber mein Motor ist, dass ich mich jederzeit mit anderen treffen könnte. Ich liebe es wenn andere Menschen einfach nur da sind, jeder sein Ding macht, man theoretisch miteinander kommunizieren könnte, aber nicht muss. Auch miteinander schweigen kann sehr schön sein.
Es ist ja nicht so, dass man sich mit niemand mehr treffen kann, zwei Haushalte, mit genügend Abstand, das geht schon, aber nicht wenige Menschen haben Angst vor der möglichen Ansteckung. Also trifft man sich nicht. Wir waren am Sonntag in Heilbronn am Neckar spazieren, da hat es außer uns noch genügend andere hingelockt, alle wollten trotz Mistwetter einfach frische Luft schnappen, Da fand ich also die Menschen, die mich beleben ohne, dass ich irgendwas mit ihnen zu tun habe. Ich bin und bleibe ein Stadtmensch, wer in einer belebten Innenstadt groß geworden ist, wird das nie los.
Der Stadtdschungel ist mein Lebensbiotop, ich würde nie allein in den Wald gehen, aber in Städten bewege ich mich wie ein Fisch im Wasser. Meine Mutter hat auch ihr ganzes Erwachsenenleben in Städten verbracht, als es darum ging, dass sie aus ihrer Wohnung im Dachgeschoss raus und in eine Art betreutes Wohnen gehen sollte, hat ihr Ihre Ärztin davon abgeraten in eine ländliche Wohnanlage zu ziehen. Sie war der Meinung, dass meine Mutter dort eingehen würde, ihr der Trubel um sie herum fehlen würde. Also hat der Familienrat beschlossen, dass meine Mutter in eine Wohnanlage in der Nähe meines Bruders zieht. Das war optimal für einen Stadtmenschen. Es war eine Wohnanlage in der die Erdgeschosswohnungen, Kleinstwohnungen mit Minigartenanteil für ältere Menschen waren, und in den oberen Stockwerken Familien mit Kindern lebten. Das Einkaufszentrum und die Straßenbahn waren quasi vor der Haustür und so konnte meine Mutter, jederzeit nach Hannover fahren, hatte jederzeit Kontakt mit anderen, konnte sich aber auch zurückziehen, wenn ihr danach war. Das war schon toll, denn so konnte sie am normalen Leben noch teilhaben und war nicht ausgegrenzt.
Ich bin gespannt was Corona uns an Veränderungen hinterlassen wird. Nicht nur Homeoffice wird bleiben, auch die Architektur und die Art wie wir zusammenwohnen wird sich in der nächsten Zeit ändern. Wissenschaftler prognostizieren ja, dass wir in Zukunft immer wieder mit solchen Einschränkungen durch Pandemien rechnen müssen, also muss unser Umfeld umgestaltet werden, damit die Psyche auch in solchen Zeiten gesund bleibt.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen