Was für eine schwebende Zeit ...

.... man weiß nicht was morgen ist - man kann es nur erahnen.

Es fängt wieder an, alles mögliche wird abgesagt, untersagt, aufgegeben. Jegliche Planungen werden Makulatur, die deprimierende Zeit geht wieder los. Wir werden wahrscheinlich wieder in unser Heim verbannt. Was für tolle Aussichten.

Ich habe vor einiger Zeit einen interessanten Zeit-Artikel gefunden, den ich jetzt erst gelesen habe, der nach wie vor die psychische Verfassung in der Pandemie gut beschreibt. Es ist ein ganz anderer Ansatz, den ich aber sehr spannend finde. Titel:  Wie nehme ich Abstand von mir?

Ich werde einzelne Passagen rausnehmen, die ich zutreffend finde:

  • Corona-Leiden....zu wenig wohltuende Berührung und zu viel Enge, zu selten inspirierende Anregungen und zu oft nagende Zukunftsängste...
  • Corona bedingt auch den Verlust an öffentlichen Räumen und damit den Verlust an Möglichkeiten der Selbstdistanz, des Abstandnehmens von sich selbst.
Die Autorin beschreibt wie sehr es den Menschen fehlt, aus dem Haus gehen zu können. Im öffentlichen Raum neue Anregungen zu bekommen, mal aus seinen bohrenden Gedanken raus zu kommen, Ablenkung zu haben und letztendlich offen für andere zu bleiben. 

  • Indem wir einen öffentlichen Raum physisch und damit auch mental betreten, überschreiten wir die Begrenzungen unseres eigenen Lebens und gewinnen Abstand zu unseren privaten Anliegen. Wir lassen unser alltägliches, sorgendes Selbst für Stunden hinter uns, sehen uns selbst mit den Augen anderer und tauchen ein in die eigenbestimmte Atmosphäre eines Orts. Künstlerische Aufführungen verdoppeln diese Ortsversetzung.

  • In öffentlichen Räumen sind Menschen für Stunden den Anforderungen des konkreten Lebens entzogen: der unaufgeräumten Wohnung, den unbeantworteten E-Mails, den Hausaufgaben oder den erwartungsvollen Blicken der nahen Menschen. Genau diese Art Freiheit von den alltäglichen Beziehungs- und Arbeitskonstellationen braucht, wer sagt: "Ich muss mal unter Leute."
Hiermit beende ich meine Zitate, ein sehr interessanter Artikel, der über den Link nachgelesen werden kann.

Vieles von dem was die Autorin Frau Rose beschreibt, kann ich auch meiner eigenen Beobachtung und Arbeit als Psychologin, bestätigen. Was viele Menschen mürbe macht ist dieses ständige Zuhause sein. Man hat sich auf eine "normale" Vorweihnachtszeit gefreut, Weihnachtsmärkte, schlendern in Geschäften, Weihnachtsfeiern, Wintersport.... Nach und nach wurden all diese Aktivitäten abgesagt. Es herrschte ein Chaos wer wo wie geimpft und getestet hingehen, was überhaupt noch stattfinden darf. All diese Auflagen, in viele Geschäfte und Gaststätten kommt man nur noch mit Impfnachweis und Ausweis vorzeigen rein, nehmen den Menschen die Freude sich in den öffentlichen Raum zu begeben.

Gaststätten leiden unter stark schwankenden Gästezahlen und haben Probleme mit der Lebensmittelbevorratung, wohin damit wenn die Gäste kurzfristig absagen, weil betriebliche Weihnachtsfeiern nicht mehr stattfinden dürfen. Kollegen haben sich oft lange Zeit nicht mehr gesehen, bedingt durch Homeoffice. Die Abteilungen separieren sich und jede denkt für sich, man sieht nicht mehr den Gesamtbetrieb. Abteilungen, die momentan nicht im Fokus stehen, werden regelrecht vergessen und dümpeln vor sich hin. Planungen können im Grunde nicht mehr gemacht werden, da sowieso alles nur unter Vorbehalt stattfinden kann. Bei den öffentlichen Angeboten unserer ASB-Mitgliederakademie werden die Interessenten auch immer vorsichtiger und melden sich nicht mehr an.

Es macht sich allgemein eine Lustlosigkeit und Frustration bereit, weil man wenig "raus" darf. Und wenn man die Auflagen erfüllt, dann fast nirgends hin kann. In Bayern werden selbst Bogenparcoure geschlossen, da die Vereine die Kontrollauflagen nicht erfüllen können. Auf einen Bogenparcour zu gehen, bedeutet in kleinen Gruppen in der Natur Bogen zu schießen, also ein Outdoor-Sport. 

Es bleibt spazieren gehen, wenn man mal Abstand von sich selbst und neue Ideen braucht. Aber auch hier schlägt das regnerische Wetter und die trüben Tage auf das Gemüt und hält viele davon ab raus zu gehen. 

In manch einem Heim wird, dieses enge Aufeinanderhocken auch zum blanken Horror, Gewalttätigkeiten in körperlicher und seelischer Natur haben zugenommen. Und die Möglichkeit davor in den öffentlichen Raum zu entfliehen hat abgenommen.
Fernsehen und Internet sind eine einseitige Ablenkungsmöglichkeit, man kann sich das auswählen, was einen bestärkt und andere Sichtweisen wegklicken bzw. wegzappen.  So schmort man im eigenen "Saft", der beängstigend und depressiv machen kann.

Als Abhilfe versuchen viele wenigstens das eigene Heim adventlich zu beleuchten, damit einen die winterliche Dunkelheit nicht in depressive Verstimmungen treibt und ein wenig Weihnachtsvorfreude aufkommen kann, die bei vielen angenehme Erinnerungen hervorrufen kann. Erwachsene Kinder kommen zu den Eltern - das ersetzt zwar nicht den öffentlichen Raum, aber es bringt wieder neue Sichtweisen und ein wenig Trubel in das alltägliche (Quasi-Lockdown) Einerlei.



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