München Neuhausen - per Zufall zurück in die Kindheit

Die freien Tage zwischen Neujahr und Heilige Drei Könige wollten wir nicht zu Hause verbringen. Also beschlossen wir, nach München ins Deutsche Museum zu fahren. Für den Kurzurlaub in München buchten wir, wie heute üblich, über das Internet ein günstiges Zimmer. Da ich mir selten vorher ansehe, wo ich hinfahre, ist die Überraschung, wenn ich ankomme immer groß. Diese Mal war ich vom Donner gerührt, als wir in die Blutenburgstr. fuhren und unser Hotel sich in einer Seitenstraße ca. 150 m von dem ehemaligen Laden meiner Tante entfernt befand.

Blutenburgstr. 92 - 1964
Irgendwie war es wie ein Ankommen in meiner Kindheit, in der ich unzählige Schulferien in München verbracht habe. Meine Tante hatte einen Schreibwarenladen, der Zeitschriften, Zigaretten und sonstiger Schnickschnack verkaufte. Ich habe es geliebt dorthin zu fahren. Zum einen durfte ich mit verkaufen, zum anderen hatte meine Tante einen Dalmatiner! Wie viele Kinder war ich vernarrt in diesen Hund. Es war natürlich nicht wie zu Hause, ich musste alles essen, durfte nichts zum Essen trinken, aber es gab ja den Hund, der mich bei dem ungeliebten Essen unterstützte. Immer wenn meine Tante (weg vom Esstisch) in den Laden musste, bekam er schnell eine Portion von meinem Teller, wir waren ein eingespieltes Team im unschuldig dreinschauen. Aber es gab auch leckere Sachen, wie Zwetschgendatschi, die es bei uns in Schwaben nicht gab. Im Grunde habe ich in diesen Schulferien von München recht wenig gesehen, ich habe mit Begeisterung im Laden geholfen, bin um die Ecke mit dem Hund in die Landsberger Allee gegangen, das war schon weit, meist gingen wir mit ihm in die Richtung wo unser (heutiges) Hotel war. Sobald der Hund sein "Geschäft" verrichtet hatte gings wieder nach Hause. Der Rotkreuzplatz war weit entfernt. Wenn mein Vater mit war, dann liefen wir beide immer zu Fuß in die Stadt. Für mich war das als Kind eine meilenweite Wanderung, auf dem Rückweg machte ich dann meistens auf der Höhe vom Circus Krone schlapp und mein Vater musste mich tragen, später dann motivieren, dass wir bald zu Hause wären. Manchmal fuhren wir auch raus in die Berge, dann standen wir ab dem mittleren Ring im Stau - gefühlt - bis in die Berge und das schon damals in den 60iger Jahren. 

2022

Ich werde nie vergessen, wie meine Tante, als sie 1968 im Radio hörte, dass sowjetische Panzer in Prag einmarschiert wären, in voller Panik und vollkommen überzeugt war, dass es jetzt wieder Krieg gäbe. Es dauerte bis sie überzeugt werden konnte, dass es uns nicht betreffen wird. Auch ist mir die Anfahrt über die Autobahn noch sehr gut in Erinnerung. Die Autobahn endete kurz vor Nymphenburg, da gab es zum Empfang ein großes ADAC Gebäude und dann fuhr man in die Stadt rein. Wir hatten es ja nicht weit bis nach Neuhausen. 

Blutenburgstr. 92 - 2016

Naja und da war ich also am Ort meiner Kindheit und wie bei allen Orten der Kindheit schrumpft dieser gang gewaltig zusammen. Die Entfernungen wirken lächerlich, man versteht nicht mehr, wie man den Rotkreuzplatz als weit entfernt wahrnehmen konnte, wie man schlapp machen konnte, wenn wir zu Fuß in die Stadt gelaufen sind. Auch die Landshuter Allee ist verschwunden und zu einer Stadtautobahn, der Verlängerung des mittleren Rings, geworden.

Ich war erstaunt wie lebendig das Viertel ist, wie man gut in dem Viertel leben kann, Einkaufsläden, Kneipen, hochpreisige Geschäfte, aber auch Lidl usw. ein Kiez wie man in Berlin sagen würde, da kann man drin leben und braucht den Rest nicht. Es ist schön, wenn alles zu Fuß erreicht werden kann. Man nicht immer den Einkauf planen muss, ein Auto dafür braucht, weil halt im Dorf fast nichts mehr erhältlich ist. Dank Corona hat bei uns im Dorf sogar die In-Kneipe zu gemacht, also müssen wir selbst zum Biertrinken gehen mit dem Auto fahren. 

2022
Was ich noch genossen habe, war das Blutenburg Theater, das sich als Kriminaltheater etabliert und ein sehr Klamauk artiges Stück aufgeführt hat. Was so beeindruckend war, dass das Theater sehr klein war und von der Ausstattung her wie in den 70iger Jahren stehen geblieben wirkte. Es vermittelte den Eindruck ein Teil der lebendigen Münchner Kleinkunstszene zu sein, die leider auch sehr unter den Conrona-Beschränkungen leidet. Diese Kleinkunstszene ist schon etwas besonderes in München.

 Überhaupt vermittelte München Überschaulichkeit, weit entfernt von der Größe Berlins. Aber vielleicht liegt es ja nur daran, dass wir fußläufig zur Innenstadt unser Hotel hatten. Leider sammelten wir einen Strafzettel nach dem anderen, obwohl wir eifrig immer Parktickets gezogen hatten. 

Ich war als meine Tochter noch in München war, zweimal dort. Ein mal in Ismaning und ein mal in der Nähe der Theresienwiese. So wohl und fast wie zu Hause, wie dieses Mal hatte ich mich bei meinen früheren Besuchen nicht gefühlt. Da war es eine fremde Stadt, die wir erkundeten, dieses Mal war es wie ein heimkommen, es gab so viel Vertrautheit und Wiedererkennen. Das hat diesen Besuch so wunderschön gemacht.

Januar 2022


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