Gewaltbeziehungen - den Hund zum jagen tragen - welch ein sinnloses Unterfangen
Vor kurzem habe ich an einem Online-Kongress für Psychotherapeuten teilgenommen. Die Therapeutenszene ist ein buntes Völkchen, das sich aus den verschiedensten Professionen zusammensetzt, für jeden ist etwas dabei. Und so waren für mich auch einige Vorträge von Kollegen interessant, die auf aktuelle Beratungsthemen von mir spezialisiert sind. Unter anderem war eine Therapeutin dabei, die mit Menschen in Gewaltbeziehungen arbeitet. Das Thema ist momentan gerade auch in den Medien präsent, indem immer wieder über Femizide berichtet wird.
Alle die in dem Bereich helfend tätig sind, erleben diese seltsamen Abhängigkeiten, aus denen sich die Betroffenen scheinbar nicht zu lösen vermögen. Sie werden seelisch und körperlich misshandelt, leiden darunter, oft müssen sie im Krankenhaus behandelt werden, machen z.T. Selbstmordversuche. Die Polizei, die zu solchen familiären Streitigkeiten gerufen wird, häufig mehrfach hintereinander, sieht bereits den potentiellen Todesfall, trotzdem zeigen die Opfer den Täter nicht an und es ist sehr schwer sie aus dieser Beziehung herauszubekommen. Hat man sie dann soweit, dass die "Opfer" tatsächlich aus der ehelichen Wohnung weggehen, dann kann man damit rechnen, dass nun ein hin- und her beginnen wird. Der "Täter" verfolgt seine Frau solange, bis sie wieder zurückkehrt. Dann eskaliert es wieder und das ganze Spiel beginnt von neuem. Als Therapeuten und helfende Person, steht man hilflos da und kann nur kopfschüttelnd zusehen (wenn man die professionelle Distanz behält) oder man ist enttäuscht, dass dieser Rückschlag stattgefunden hat. Im schlimmsten Fall bezichtigt sich die helfende Person als Versager, dabei gilt, dass auch das "Opfer" für seine eigene Sicherheit verantwortlich ist, ihm das niemand abnehmen kann.
Weshalb kommen die Menschen in solche Situationen, in solche Abhängigkeitsverhältnisse? Nun die psychologische Wissenschaft ist sich einig, dass die Erfahrungen in der Kindheit prägend sind und nur mit viel Kraftaufwand zu verändern sind. Die Zuwendung und Beziehungsmuster, die man da mitbekommen hat werden in schwierigen Situationen immer wieder hochkommen und handlungsleitend sein. Man geht davon aus, dass sichere und fördernde Bindungen in der Kindheit, stabile und widerstandsfähige Erwachsene entstehen lässt. Diese Bindungen müssen nicht zwangsläufig durch die Eltern gewährleistet werden, nur sind die Eltern meist diejenigen bei denen die Kinder leben und die sie stärken oder eben auch verkümmern lassen.
Jeder Mensch braucht seine "Insel" auf der man von den schädlichen / verletzenden Einflüssen der Außenwelt geschützt ist, (Bei mir ist es seit ich denken kann immer meine Familie gewesen, die mein Rückgrat war/ist und einen resilienten Menschen aus mir gemacht hat.) Auf dieser Insel stärkt man sich gegenseitig, geht schonend und aufbauend miteinander um. Konflikte werden nicht zerstörerisch ausgefochten, weil man sich damit auch selbst schaden würde. Außerdem liebt man diese Menschen. Das ist auch der Ort an, dem man so akzeptiert wird wie man ist, das ist in der Außenwelt nicht immer gegeben. Auf manchen Inseln kann es vorkommen, dass plötzlich aus dem Hinterhalt ein zu tiefst verletzter Angriff kommt. Und so wird aus dieser Insel ein undurchdringlicher Urwald, in dem die größten Gefahren im Hinterhalt lauern. Man muss ständig auf der Hut sein, auf jede kleinste Veränderung achten, denn sie könnte Gefahr bedeuten. Man gewöhnt sich das neue Verhalten an, verirrt sich im Urwald und findet den Weg nicht mehr heraus. Gleichzeitig ist man in ständiger Anspannung, da ja aus dem Hinterhalt immer unerwartet etwas kommen kann. Man hofft immer auf die Insel zurück zu kommen, die ja mal da gewesen war.
Manche flüchten sich dann auf das Floß der Medusa, wähnen sich in Sicherheit da sie dem untergehenden Schiff entronnen sind und ahnen nicht welchem Schicksal sie entgegen gehen. Sie wissen nie ob sie diejenigen sind, die geopfert werden, damit die anderen überleben können.
Wobei Femizide meist erst dann stattfinden, wenn die Frau sich tatsächlich entschlossen hat, ihren Peiniger zu verlassen. Das scheint die gefährlichste Zeit in einer solchen Beziehung zu sein. Nun es ist sehr schwer, helfend in solchen Situationen beizustehen, denn es gilt "den Hund zum jagen tragen", ist absolut kontraproduktiv. Wenn man dem "Opfer" seine Würde und Selbstbewusstsein zurückgeben kann ist schon viel gewonnen, dann schaffen sie es vielleicht auch, sich aus solchen Beziehungen dauerhaft zu lösen.
Das Floß der Medusa |
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