Warum glaubt jeder, dass ich keinen Stess habe?


ich gehöre zu den Menschen, für die Stress bedeutet, dass sehr viel auf einmal zu tun ist und man besser nicht darüber nachdenkt, wie man alles bewältigen soll. Ich konzentriere mich dann auf das zunächst Wichtigste und blende alles andere aus, schaue mir den vor mir liegenden "Berg" nicht an, sondern laufe in meiner Geschwindigkeit von Etappe zu Etappe und bin oft erstaunt, dass alles rechtzeitig erledigt werden konnte und ich ohne große Mühe auf der Bergspitze angekommen bin. Ich lasse mich selten aus der Ruhe bringen.

Es gibt in jedem Leben einschneidende Erlebnisse, die Stress verursachen und bewältigt werden müssen.

Der Stress in der (meiner) Kindheit, lag darin, dass ich sehr viel allein war und bereits früh lernen musste mich selbst zu beschäftigen, dabei habe ich die vielfältigsten Hobbies entwickelt, die mich mein ganzes Leben lang begleitet haben. Durch sie habe ich gelernt, mich ganz in eine Sache zu vertiefen, die Umwelt zu vergessen, etwas zu erschaffen und dadurch Glücksgefühle zu entwickeln. Noch heute wende ich diese Methoden an, wenn ich mich allein fühle. Ich finde immer etwas in das ich mich vertiefen kann. 

Der Stress in der Partnersuche, das war nicht einfach. Ich hatte genaue Vorstellungen von dem was ich wollte und auf was ich mich nicht einlassen würde. Dies bedeutet, dass man warten und erkennen muss wenn die Person auftaucht, die passt. Auch diese Zeit habe ich genutzt um meine Ausbildung abzuschließen, habe damals schon längere Zeit im Ausland gelebt, und alles mögliche ausprobiert bis ich dann den richtigen Mann gefunden hatte.

Der Stress am Berufsanfang: hier war gefragt, dass man sich in das Unternehmen einfügt, die Abläufe akzeptiert und zeigt, dass man die Aufgaben auch bewältigen kann. Erst dann durfte man neues einbringen und kreativ werden. Mein Mann und ich wollten Kinder, also musste ich dagegen ankämpfen, dass mein Chef, mich los werden wollte, nachdem mein Sohn geboren war. Ich habe eine andere Stelle gefunden, bei der es auf meine Leistung ankam, denen es egal war, wie ich die familiären Bedingungen bewältige. Damals war es noch nicht selbstverständlich, dass Beruf und Karriere auch für Frauen unter einen Hut zu bringen waren. Ohne meinen Mann hätte ich das auch nicht so gut geschafft.

Der Stress in der Selbständigkeit: bestand für mich hauptsächlich darin, dass wir ständig ums finanzielle Überleben kämpften, es aber im Grunde ganz zufriedenstellend geschafft haben. Wie viele schlaflose Nächte hatte ich, in denen ich mir Sorgen machte. Das ging so lange bis ich mir klar machte, dass diese nächtlichen Sorgen unsere Situation auch nicht verbessern würden. Seit dem sage ich mir, "das ich kann jetzt in der Nacht sowieso nicht lösen. Morgen ist ein neuer Tag und da sieht die Welt wieder anders aus".

Der Stress mit Schule der Kinder. Für mich war die Schulzeit der Kinder die anstrengendste in meinem Leben. Dieser Druck durch die Noten, das eine Kind hat nie groß was gelernt, dem flog alles zu und das andere hat immer das gelernt was die Lehrer offensichtlich nicht wissen wollten. Hausaufgaben mit den Kindern zu machen war das große Drama und wurde von uns früh aufgegeben, das mussten die Kinder selbst bewältigen. Trotzdem war die Schule nun mal wichtig für den weiteren Lebensweg der Kinder und somit mit vielen Erwartungen und Ernüchterungen verbunden. Als sie endlich mit der Schule fertig waren, ist mir ein riesiger Stein, ja man kann fast sagen ein Gebirge, vom Herzen gefallen.

Der Stress durch Tod meines Mannes, da standen wir plötzlich vor dem nichts. Wir mussten mal wieder ums finanzielle Überleben kämpfen, eine Wohnung sowie eine Arbeit finden. Ich hatte Glück und habe eine sehr erfüllende Arbeit gefunden, die ich nach wie vor gerne mache und die ich sogar noch über die reguläre Altersgrenze hinaus weiter machen darf. Hier hatte ich gelernt, dass Verbindungen, die man im Laufe seines (Berufs-)Lebens aufbaut und pflegt, einem weiterhelfen wenn man in Schwierigkeiten gerät. Es macht mir allerdings nach wie vor Spaß mich auf neues einzulassen, etwas aufzubauen und kreativ tätig zu sein. 

Weshalb hat mich dieser Stress nie kaputt gemacht? 

Ich brauchte nie eine Kur, obwohl der Druck der auf uns lastete enorm war. Ich denke es liegt daran, dass ich immer, in meinem mir innewohnenden Tempo, die vor mir liegenden Aufgaben bewältigt habe. Ich habe mich nie hetzen lassen, da werde ich "kopflos" also vermeide ich dies. Wenn mir alles zu viel ist ziehe ich die Reißleine, dann wird ein Glas Wein getrunken, lege mich auf die Entspannungsliege und höre das Violinkonzert von Beethoven. Das sind 50 emotionale Minuten Auszeit, in der ich wieder zu mir finden kann. Danach kann die Welt weiter gehen. Überhaupt ist es mir immer sehr wichtig, in mir selbst zu ruhen, das geht aber nur, wenn ich mir Ruhephasen gönne, in denen ich nur auf mich bezogen bin, nichts mit anderen mache, sondern meine inneren Kraftquellen durch kreatives Werkeln wieder auflade.

Was mich (bis heute) mein ganzes Leben lang gestresst hat ist der Stress durch Planen. Für mich gibt es nichts schlimmeres als etwas bewusst zu planen. Sobald andere anfangen dies von mir zu erwarten, bekomme ich Magenkrämpfe, versuche mich herauszuwinden, wenn es geht unsichtbar zu machen. Auf jeden Fall auszuweichen. Mit Terminplanern stehe ich auf dem Kriegsfuß, habe aber bisher so gut wie noch nie einen Termin vergessen, auch wenn die Termine mir manchmal erst ganz kurzfristig vorher einfallen. Ich lasse mich viel lieber treiben... es ergibt sich immer was... man muss halt warten können

oder wie ich ein Sonntagskind sein, das Stress einfach nicht als so schlimm empfindet.


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