50 ways to leave your lonelyness - was kann einen wirklich rausholen?

...was ich an den Büchern so liebe, ist, dass ich in ihnen verreisen kann, andere Leben ausprobieren, etwas fühlen, erfahren oder lernen, was in meinem eigenen lahmen Ladenbesitzerschrott nicht vorkommt - das ist Eskapismus, Vergnügungssucht, Eigennutz  - ... ich nehme mich selbst nicht mehr so wichtig, wenn ich in einer Geschichte verschwunden bin. 
Von meinem Leben bleibt nicht viel übrig: essen, schlafen, Miete bezahlen, das ist schon ziemlich alles, den Rest erlebe ich in Büchern. (Tommy Bayer, Fallers große Liebe S.131f)
Mit diesem Auszug möchte ich dieses Mal beginnen. Wer meinen Blog schon länger liest, hat gemerkt, dass ich versuche mit der so langsam beginnenden Alterseinsamkeit fertig zu werden. Das ist keine leichte Sache und scheint so unausweichlich zu sein wie der Tod.

Wie jede alleinstehende ältere Frau bin ich sehr viel unterwegs, da mich zu Hause in meiner Rückzugshöhle nichts erwartet, noch nicht mal mehr Erinnerungen. Das Haus ist gefüllt mit gelebten Leben (so wird es mir jedenfalls von Besuchern gesagt), wer daran Interesse hat, kann längere Zeit darin verweilen, für andere ist es ein unkonventionelles Haus. Für mich haben diese Gegenstände sichere Vertrautheit, nachdem sich in meinen Leben von dieser Vergangenheit doch sehr viel verflüchtigt hat und zu Unwirklichkeit geworden ist. Ich bin zwar von vielen Menschen umgeben, die mich mögen und es gut mit mir meinen. Aber alles hilft nicht gegen die fortschreitende Alterseinsamkeit. Keine Ahnung, ob Männer und Paare das auch erleben? Männer suchen sich meist sehr schnell wieder eine Frau, Paare haben sich noch gegenseitig, da scheint man sich nicht mit diesem Phänomen auseinandersetzen zu müssen.

Besonders stark merkt man diesen Schmerz (so würde ich jetzt die Alterseinsamkeit benennen) in der Übergangszeit zwischen Winter und Frühling. In dieser Zeit herrscht Trägheit und Müdigkeit und man wünscht sich Geborgenheit, die man in sich selbst suchen muss.

Mir haben da schon immer Bücher geholfen, dieses sich versenken, dieses woanders sein, dieses an großen Gefühlen teilhaben, der Oberflächlichkeit des täglichen Lebens zu entrinnen. Ich erinnere mich an glückliche Lesezeiten und in meinem Jugendzimmer, da war ich nicht mehr allein in der Altstadt ohne Gleichaltrige, ich war - wie oben beschrieben - versunken in einer anderen Welt.

In letzter Zeit habe ich nicht mehr viel gelesen, ich war unterwegs, hatte viel zu tun, habe mir Gedanken um die Zukunft meiner Kinder gemacht. Die Kinder sind in eigenständigen Bahnen, da brauche ich mir keine Gedanken mehr machen. Ständig unterwegs zu sein, entfremdet mich ein Stück von mir selbst. Es war eher ein Füllen, der häuslichen Leere, als eine gelungene Flucht aus der Alterseinsamkeit. Wobei die Singerei und das Spielen inzwischen ein großer Teil meiner jetzigen Identität geworden ist. Und es beglückt mich, dass Lesen noch immer diese faszinierende Wirkung auf mich hat, die einen nächtelang lesen lässt, bloß um zu erfahren, wie es weitergeht, um dieser fiktiven Figur nahe zu sein, um Spannung, Bedeutung in sein eigenes, wie einen Fluss dahinfließendes Leben, zu bringen.

50 Wege aus der Einsamkeit, das scheint mir zu viel versprochen, ich denke es reicht ein Weg, der einem klar macht, das ist nun mal der Lauf deines Lebens, der einen versöhnt damit und der wie in meinem Fall an meine Jugend anknüpft. Ich habe viel gelesen, ich habe gesungen und wenn jemand mit mir gespielt hat, nachmittage mit spielen zubringen können.

Wie ein dementer Mensch bin ich momentan quasi resettet und fange wieder da an, wo ich als junger Mensch gestartet bin, den Lebensbalast versuche ich auszublenden und zu vergessen.

 

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