Über das Schnarchen und die Schnarcher
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So lange ich denken kann, bin ich von Menschen die Schnarchen umgeben gewesen. Ich gehöre noch zu einer Generation, die nicht selbstverständlich ein eigenes Zimmer hatte, ich habe lange im Schlafzimmer meiner Eltern mit schlafen müssen. Dadurch, dass ich als Kleinkind eingegipst war und dementsprechend oft geweint habe, hatte mein Vater mich zum beruhigen viel herumgetragen. (So entsteht Bindung.) Auch hatten wir eine feste Schlafenszeit, der Spruch meines Vaters lautete: um neina (21 Uhr) muss man im Bett erscheina (erscheinen). Als ich dann schon denken konnte und mitbekommen hatte, dass mein Vater nach dem Tod verbrannt werden möchte, habe ich mir eingebildet, dass nachts Männer kommen und meinen Vater zum Verbrennen abholen. Solange er schnarchte war er lebendig, dann konnten die Männer meinen geliebten Vater nicht holen. Später gehörte es einfach zu den Geräuschen des Schlafzimmers und ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich darüber zu ärgern.
Als ich dann verheiratet war, stellte sich heraus, dass mein Mann ebenfalls zu den Schnarchern gehörte. Jahrzehntelang haben diese lauten Geräusche meinen Schlaf begleitet. Nur wenn ich Sorgen hatte, dann störten sie und ich bin manchmal geflüchtet vor dem Schnarchen. Meist war ich dann noch sauer auf ihn, ansonsten habe ich es würdevoll ertragen. Es war mir wichtiger, dass er neben mir lag, als die Stille ohne ihn.
Naja als er dann krank wurde, störte ihn mein Geschnarche, das plötzlich mit dem Älterwerden auftauchte. Er hatte keinerlei Toleranz dafür. Schimpfte mit mir, fand es genauso schrecklich wie meine Kinder. Ich muss zugeben, dass mich das betroffen gemachte. Da ertrage ich jahrzehntelang die nächtlichen Geräusche und sobald bei mir (leider auch) das Schnarchen einsetzt werde ich abgelehnt.
Dieses Entsetzen verletzt, inzwischen gehe ich offensiv damit um und warne alle, die mit mir in einem Raum nächtigen, dass ich schnarchen würde. Wer das nicht möchte, mit dem kann ich kein Zimmer teilen. Dann gibt es aber auch Menschen, die mir versichern, dass meine Kinder übertreiben würden. So schlimm seien meine Schlafgeräusche nicht. Dies kontern meine Kinder damit, dass die bestimmt taub sind.
Es ist schon verrückt, dass inzwischen so viele Menschen einen sehr leichten Schlaf haben, so dass jegliches Geräusch stört. Dass es nicht mehr als wunderbar, ich muss nicht allein in einem Raum schlafen wahrgenommen wird, sondern als Lärmbelästigung. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir alle tagsüber so heftig beschallt werden, dass man sich nach der nächtlichen totenstille sehnt.
Mir geht es im Sommer, wenn wir im Büro die Fenster offen lassen müssen, oft so, dass mir der Kopf nach kürzester Zeit dröhnt und ich mich freue endlich heimgehen zu können. (Mein Büro liegt in der Innenstadt an einer stark befahrenen Kreuzung).
Trotz allem finde, dass wir Schnarcher falsch betrachtet werden, wir demonstrieren nachts damit doch nur, dass wir noch leben und vertrauensvoll neben einer anderen Person schlafen können.
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