Über Dirigenten - wie prägend sie doch sind
Vor ca. 5 Jahren habe ich wieder mit dem Singen im Chor angefangen und habe dabei inzwischen einige Dirigenten erlebt.
Als ich startete war unser Chorleiter ein autoritärer Chef, der klare Ansagen machte, ausflippte wenn wir wiederholt Fehler machten, am liebsten mit dem Sopran schimpfte, alle bis zum geht nicht mehr zum "Rausschauen", also zu ihm sehen und Einsätze abholen, drillte. Er forderte viel und bot mit seinen gelegentlichen Ausfällen auch ein "Unterhaltungsprogramm". Er machte aus uns einen Chor, der auf jede Bewegung (Dirigat) von ihm reagierte. Wir wurden gut und konnten sehr anspruchsvolle Konzerte singen. Er hatte im Kopf ein Bild davon, wo er mit uns hinwollte und wir waren quasi sein Instrument, das er zum Klingen brachte. Da er ein Mensch war, der leicht schwitzte, war er nach mancher Chorprobe total verschwitzt. Er war der Chef, seine Ansagen waren maßgeblich und das hat jeder akzeptiert.
Irgendwann kommt mal der Tag an dem der Chorleiter wechselt, unserer ging aus beruflichen Gründen. Und es kam eine neue Chorleiterin, die natürlich ihren Stil mitbrachte, der einigen sehr viel Mühe macht und der dazu führte dass wir uns alle in einem Durcheinander befinden, Abstriche machen müssen. Sie brachte eine ganz neue Art des Probens mit. Normalerweise singt ein Chor von Anfang an die Stücke gemeinsam durch, danach werden die problematischen und schwierigen Passagen mit den betroffenen Stimmen (Sopran, Alt, Tenor & Bass) geübt und unmittelbar darauf wird alles wieder gemeinsam gesungen, damit wir immer den Gesamtklang im Kopf haben. Unsere neue Chorleiterin übt anders, zuerst werden die Stücke von jeder Stimme mehrfach allein gesungen, die anderen Stimmen hören solange zu und erst danach wird das Lied gemeinsam gesungen. Soll angeblich zu einem sauberen Singen führen. Bei uns führte es dazu, dass wir jetzt kräftig unsere jeweilige Stimme singen, aber halt nicht mehr zusammen. Unsere Chorleiterin ist bass erstaunt, dass sie mit uns so oft einzeln geübt hat und es zusammen einfach nicht richtig klappt. (Seltsam wir hatten die Carmina Burana & Die Schöpfung von Hydn gesungen und das hat geklappt). Das Problematische an dieser Art zu üben ist, dass man in diesen Zwangspausen abschweift, die Konzentration nachlässt und man meist sehr schnell wieder vergisst, was gerade geprobt wurde. Auch sind die Ansagen nicht mehr so klar, unsere älteren Sänger, die nicht so gut hören, verstehen oft nicht, welches Lied wir jetzt singen werden. Das entstehende Stimmenchaos wird dazu genutzt um mit den anderen zu spekulieren, was die Dirigentin wohl jetzt will und neben der Dirigentin gibt es jetzt zusätzlich noch Mitsänger, die ergänzend Vorgaben machen. Und so langsam geht dann die Freude am Singen verloren. Das zeigt sich vor allem daran, dass mehr SängerInnen bei den Singstunden fehlen und wir im Grunde auf der Stelle treten, aber nicht besser werden.
Wie anders ist es in der Kantorei. Der Chorleiter macht hier wieder klare Ansagen, beherrscht sehr gut den Flügel. Er hat eine Vorstellung wie das Stück klingen muss und übt mit dem gesamten Chor dieses Oratorium, und nur schwierige Passagen werden einzeln geprobt, ihm ist wichtig das der Gesamtklang in unsere Köpfe kommt. Er versucht, möglichst viele Hintergrundinformationen zu dem Stück zu vermitteln. Manchmal ist es auch für ihn mühseelig, wenn die Sänger unregelmäßig in die Chorproben kommen und wir dann eben nicht die gewünschten Fortschritte machen. Aber er schafft es, uns die Schönheit des Oratoriums zu vermitteln und den Stolz, wenn wir es schaffen die Höhen zu erklimmen und Ausdruck in den Gesang bringen können. Leicht ist es für ihn nicht, da er jung und alt zusammenbringen muss, denn es beteiligt sich am Paulus neben uns älteren noch die Jugendkantorei. Wichtig ist für einen Chor das Zusammengehörigkeitsgefühl, auch dafür kann der Chorleiter was tun. Dieser macht es indem er uns über alle möglichen musikalischen Aktivitäten informiert und ermuntert daran teilzunehmen. Gemeinsame Feste gefeiert werden und Probenwochenende stattfinden.
Dann gibt es da noch den Dirigenten des Philharmonischen Chors in Heilbronn. Der ist völlig anders, er ist lustig, bringt uns zum Lachen, erzählt Rahmengeschichten und viel über den Hintergrund der zu singenden Werke. Er setzt sehr viel Können einfach voraus, und modelliert den Gesang. Er erzeugt bei uns im Kopf Vorstellungen, welche Gefühlsregung wir singen sollen, gibt Tipps wie wir dazu kommen können und übt auch nur kritische Passagen, die sauber klingen müssen, einzeln. Die Chorprobe geht ohne Pause 2 Stunden durch und ist so gestaltet, dass sehr zügig vorangegangen wird, die Pausen durch kurze Erzählungen des Dirigenten entstehen, man aber mit dem Gefühl weitergekommen zu sein nach Hause geht. Man geht berauscht von der zauberhaften Messe, die wir aufführen werden und von der kurzweiligen Information, die man so nebenher mitbekommen hat.
Wie unterschiedlich Dirigenten doch sein können, wie wichtig sie für die Singmotivation sind und wie sie einen Chor gut machen oder auch verschlechtern können. Wie immer in der Musik hängt viel von ihrer Ausstrahlung und der Fähigkeit, zu den Sängern einen Draht zu finden ab.
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