Hochachtung vor allen Lehrern - Jugendliche zu unterrichten ist Schwerstarbeit

In meiner Arbeit bin ich gebeten worden als Referentin bei einem Seminar für FSJler (Junge Menschen, die ein Freiwilliges soziales Jahr machen) einzuspringen und mit ihnen Kommunikation zu machen.

Ich dachte kein Problem habe ich ja alles fertig, baue noch ein wenig Spiele ein und dann legen wir los. Leider ich ich einen Denkfehler gemacht, ich erwartete junge Erwachsene und traf auf "Kinder". Ich traf auf das, was meine Tochter immer aus ihrer Schule erzählt und sie steht jetzt kurz vor dem Abi.

Meine Kollegin und ich wunderten sich schon, dass in diesem FSJ-Seminar u.a. an einem ganzen Tag nur modische Mützen gehäkelt wurden und dass die Jugendlichen nicht darüber murrten, also wollte ich etwas Erwachsenes bieten.  Das war schon mal Denkfehler Nummer eins.

Ein Seminar mit Folien erinnert an Schule, umgehend wird Schülerverhalten gezeigt: man demonstriert unübersehbar Langeweile, führt munter Seitengespräche, beschäftigt sich intensiv mit dem Handy, marschiert alle 10 Minuten auf die Toilette, antwortet brav auf Fragen, schiebt aber gleich nach, wann endlich Pause ist und ob man nicht eine Stunde früher Schluss machen könnte. Dreht der Lehrperson, den Rücken zu und dreht so richtig auf, damit die anderen Jugendlichen merken was für ein toller Held oder Heldin sie sind. Da unsere jungen Menschen zu mündigen Menschen erzogen werden sollen und wissen, dass man immer gleich sein Befinden kundtun muss, sagt man dann diesem Lehrer, der so penetrant mit seinem Stoff weitermacht, dass das Ganze Zeugs langweilig sei, man wisse schon alles bzw. das was man wisse reiche aus, mehr wolle man nicht wissen. Man hätte hier Spiele und Reden erwartet. Gruppenarbeit wird ganz gern gemacht, inhaltlich wird da nicht viel diskutiert, sie wird runtergerotzt berechnend was der Lehrer wohl hören möchte und dann hängt man die restliche (Arbeits-)Zeit ab, möglichst cool.

Wir hatten dann endlich die Mittagspause erreicht. In eintägigen Erwachsenenseminaren gibt es ein gemeinsames Mittagessen, das zum Seminar und zum Austausch gehört. Nicht allen schmeckt das Essen, das tut man dann in meist höflicher Form kundt. Nicht so bei den "Kindern", das wird sofort als ungenießbar bezeichnet, man müsse kotzen davon und steigert sich so rein, dass man es sehr überzeugend den Dozenten darstellen kann. Wenn dann noch ein Dozent mitmacht und selbst ein Horrorszenario aufführt, geht der Aufstand erst recht los. Es entstehen endlose Diskussionen über das ungeliebte Essen, der Lösungsvorschlag ist schnell gemacht, Essensgeld auszahlen und wir gehen dann zu Mägges (MacDonalds), die andere Gruppe darf das auch.... die müssen nicht mehr hier essen.

Den ersten Tag haben wir überstanden, auf zur nächsten Runde (Gott sei Dank nur ein halber Tag). Da man als Trainer gewöhnt ist sich an die Erwartungen und Wünsche der Teilnehmer anzupassen, habe ich nach Absprache mit meinen jugendlichen Kindern, Spiele vorbereitet. Da hat mich das Befremden dann vollends gepackt. Die Spiele wiederholten in freier Form das Verhalten, dass die Jugendlichen am Tag zuvor gezeigt hatten. In Seminaren macht man normalerweise Übungen, die anschaulich eine bestimmte Verhaltensweise verdeutlichen sollen Man bespricht dies nach den Übungen und reflektiert einzelne Situationen, die beobachtet wurden. Ein weiterer Denkfehler von mir, bei diesen Nachbesprechungen kam sofort wieder Langeweile auf. Wichtig ist der Eventcharakter des Spiels und die Möglichkeit miteinander über ihre Privatthemen zu quasseln. Ich hatte noch Diskussionen vorbereitet, erfreulicherweise kamen wir nicht mehr dazu, denn das wäre bestimmt auch unter uncooles Event abgetan worden. Gott sei Dank war es dann bald Mittag und die Jugendlichen sind mich losgeworden. Die weitere Planung ihrer Betreuerin ist einen Tag ins Spaßbad zu gehen und Bewegungsübungen zu zeigen (45 Min Übungen und die restliche Zeit ist Belohnung und Entspannung). Ach zum Schluss wollten die "Kinder" dann noch wissen (hören) wie toll ich sie fand. Diesen Gefallen habe ich ihnen nicht getan, ich habe ihnen mein befremden über ihr Verhalten zurückgemeldet.

Was hat mich am meisten befremdet:
das war ihr Verhalten in der Gruppe (Einzeln sind alle lieb). Sie sind sehr fordernd, hören nicht richtig zu, Anweisungen sind Richtwerte für sie, aber nicht bindend, sie sind sehr schnell gelangweilt und suchen nach dem Knopf zum weiterzappen. Sie leben ihre Befindlichkeiten hemmungslos aus und versuchen sehr schnell ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Diese Interessen, sind meist minimaler Aufwand für die Arbeit, maximale Zeit zum gemeinsamen Abhängen. So haben sie aus dem Stress Seminar mitgenommen, man müsse auch NEIN sagen können. Schön, sie vergessen nur, dass sich das auf Personen bezieht, die vor lauter Arbeit oft an den Rand der Verzweiflung kommen. Respekt gegenüber Autoritätspersonen ist fast gar nicht mehr vorhanden, schließlich kennen sie genau ihre Rechte (vergessen aber gern, dass zu den Rechten auch Pflichten gehören).

Mich hat auch ihr Verhalten untereinander befremdet, diese extreme Gruppenorirentierung, diese geringe Toleranz für andersartiges, das wird sofort ausgeschlossen, an den Rand gedrängt. Ein Harmoniestreben, das keine Abweichung verträgt und auf Gruppenhelden ausgerichtet ist.

Natürlich sind nicht alle so, aber der zurückhaltende Teil, bei dem sich einige vielleicht gerne eingelassen hätten, wird letztendlich auch von der Gruppenstimmung erfasst.

Die "Kinder" (je länger ich mit ihnen arbeitete, um so weniger konnte ich sie als Erwachsene sehen) haben jetzt ein Feindbild mehr, wieder so ne schreckliche alte Schachtel. Ich weiß nicht ob wir mit diesem Laissez-Fair-Stil unseren Kindern einen Gefallen getan haben. Das Leben wird auch diese jungen Menschen erreichen, wird ihnen große Steine in den Weg legen, die sie nur mit Ausdauer beseitigen können, wegzappen oder Aufstand machen geht da nicht mehr.


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