Krimis - was macht für mich die Faszination aus

In Zeiten von  Corona-Büchereischließungen, wollte die Bücherei bei meinem Zahnarzt, ihre Leser mit Büchern versorgen und hat einen Bücherflohmarkt gemacht, d.h. Bücher zum mitnehmen rausgestellt. Eigentlich lese ich nicht mehr, aber ich schau immer noch, ob was interessantes dabei sein könnte. Beim Stöbern habe ich dann doch einen Krimi entdeckt, es war ein Buch aus einer Krimi-Reihe, das ich wegen des Themas und Ortes mitgenommen habe. Ich habe bewusst nur einen Band aus dieser Reihe mitgenommen, da ich mir nicht sicher war, ob ich den Krimi überhaupt lesen würde. Jetzt würde ich gerne mehr lesen.

Vorgestern habe ich den Krimi angefangen zu lesen, der im Périgord spielt, sich mit Weinbau beschäftigt und mich nach Südfrankreich katapultiert hat. Ein gutes Buch zieht einen rein, man taucht ab, man ist in der Welt, die beschrieben wird. Für mich, die in Südfrankreich gelebt hat, kommt der Süden wieder hoch, man riecht die Gegend, man sieht die Menschen vor sich, man spürt die Atmosphäre in den Bar, in denen morgens kurz der Café getrunken, nachmittags der Apero oder ein kleines Glas Rotwein (un petit verre). Man sieht die Männer Boule spielen und über allen ist das einzigartige Licht und die Gelassenheit des Südens. Man hat Zeit und geht alles etwas anders an. Meist ist für mich der Mord, der passierte völlig uninteressant, das bringt Spannung rein, wird aber von mir meist schnell vergessen. Es bleibt die Stimmung, die der Roman beschrieb, es bleibt wie gut er das Leben der jeweiligen Gegend beschreibt, wie gut er die dortige Mentalität transportieren kann.

Ich muss dann noch nicht mal in dem Land gewesen sein um die Stimmung, um das beschriebenen Lebensgefühl zu erfassen, so war ich durch Krimis in Jerusalem lange bevor ich die Stadt besucht hatte, ich war in den verschiedensten Milieus in den USA lange bevor ich tatsächlich in dem Land war. Ich habe eine Vorstellung von den Skandinavischen Ländern erhalten, immer vom Lebensgefühl, die Landschaft, kann man sich schwer vorstellen, wenn man noch nicht dort war. Da helfen Filme weiter, sie geben den Eindruck wie es in der Gegend aussieht, aber wie es dort riecht und welche vorherrschenden Geräusche es gibt, das kann man auch durch den Film nicht erfahren. Dazu muss man vor Ort sein. So habe ich erst in Schweden begriffen, wer die Muklas sind, die in dem Kinderbuch Petterson und Findus ständig herumwuseln. Bei uns hört man Vögel, in Schweden Insekten.

Wenn ich im Fernsehen Krimis angeschaut habe, habe ich auch oft Krimis bevorzugt aus Gegenden die ich kannte, so mochte ich die Bodensee-Tatorte, weil sie für mich die Stimmung, die am See herrscht gut eingefangen hatten. (Auch da habe ich mal 5 Jahre gewohnt). Oder ich mochte die Leipzig Tatorte (mit der Tomalla) weil sie mich sehr stark an die Heimat meines Vaters erinnerten. Das Leipzig, das ich durch meinen Sohn kennengelernt habe, ist völlig anders als die Stimmung, das Gefühl, das durch diese Krimis in mir hervorgerufen wurde.

Gute Krimis stellen gesellschaftliche Strömungen, randständige Milieus, menschliche Entgleisungen, Zwänge, seelische Nöte und Abgründe dar. Man erfährt dies als Nebeneffekt oder Beiwerk neben dem Mord und für mich ist das das eigentlich spannende an einem Krimi. Ich erfahre etwas über Bereiche, mit denen ich mich sonst nie beschäftigt hätte. Z.B. habe ich eine zeitlang Krimis über /mit einen Indianerdetective gelesen, es war spannend etwas über das Leben der Indianer in den Reservaten zu hören, mitzubekommen was sie sich aus ihrer ursprünglichen Tradition bewahrt haben und mit welchen Widrigkeiten sie heute in den USA kämpfen.

Krimis verknüpfen Spannung mit Information und angenehmer Unterhaltung. Sie haben einen Rätselcharakter und können süchtig machen.... man will mehr vom selben Ermittler, aus einer bestimmten Gegend. Sie sind die kleinen Fluchten aus dem Alltag, ein Kurzurlaub für den man keine Koffer packen muss.

Nach den ersten Ladenöffnungen mußte ich doch mal in eine Buchhandlung - auch wenn ich nicht mehr viel lese so zieht es mich doch immer wieder dahin.

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