Wo ist die Fröhlichkeit geblieben?

endlich durfte man wieder raus...
Als man nach dem ersten Lockdown wieder in Gaststätten gehen durfte, saß ich mit zwei Freundinnen wunderbar im Freien und wir waren ausgelassen und lachten viel. Dann sprach uns eine Frau vom Nachbartisch an, ob wir Klassenkameradinnen seien, weil wir so fröhlich wären wie Menschen, die sich nach  langer Zeit wiedersehen und wie gut das tun würde, mal wieder lachende Menschen zu sehen. 

Ich kann ihr Empfinden gut nachvollziehen, da haben wir also wieder unseren Teillockdown, es wird kalt und früh dunkel und die Menschen sind irgendwie gereizt, leicht genervt, schnell eingeschnappt, irgendwie dünnhäutig. Wo ist die Fröhlichkeit geblieben?

Es ist mit diesen Einschränkungen im Kontaktbereich wirklich nicht leicht, aber sich deswegen die Stimmung verderben zu lassen, muss das sein?

Ich glaube, dass wir momentan herausgefordert werden, in unserem Leben etwas zu verändern. Aus meiner Sicht wird nach Corona einiges verändert bleiben, wir werden nicht da weiter machen, wo wir ausgebremst wurden. Ich denke wir werden uns alle wieder mehr auf uns selbst besinnen müssen. Wir werden wieder lernen müssen, mit uns selbst etwas anfangen zu können und nicht von einer Zerstreuung zur anderen rennen können. Aber ist das nicht das, was den reifen Menschen ausmacht, dass er erkennt dass diese ganzen Ablenkungen nur zur Selbstentfremdung beitragen. Ist es nicht, spätestens im Alter, die Aufgabe sich zu überlegen, was einem wirklich wichtig ist, was nur Ablenkung ist und einen bisher  nicht weiter gebracht hat. Muss man nicht vor allem im Alter mit Verlusten und damit verbundenem Alleinsein umgehen lernen? Trotzdem kann man zufrieden und ausgeglichen sein. Als mein Mann gestorben war, war ich auch auf mich zurückgeworfen und musste wieder aus mir selbst schöpfen, mir überlegen was mir wichtig ist. Ich habe dann öfters mal "Meeting myself" Sessions gemacht und erlebt, dass auch das zufrieden machen kann, einen bereichert und wieder interessant für andere Menschen macht. Unter Meeting myself meine ich, dass man sich als interessantes Gegenüber sieht und so mit sich umgeht, als ob man mit jemand anderem ausgeht.

Trotz den Einschränkungen durch Corona kann man trotzdem eine tiefe Zufriedenheit und Fröhlichkeit behalten. Wir Menschen sind auf den Kontakt mit anderen angewiesen, er gibt uns meist Ruhe und Ausgeglichenheit, wenn wir die Anderen mögen. Wir brauchen diese Zugehörigkeit, die nicht immer nur harmonisch ist. Manchmal kommt es mir so vor, als ob man heute Disharmonie nicht mehr aushält. Man dann sofort alles beendet und sich auf die Suche nach Ersatz-Harmonie macht. Störend sind immer nur die anderen, man ist selbst nie mit daran beteiligt. Es ist als ob man sich seinen eigenen Abgründen nicht stellen möchte, man baut keine Brücken mehr.

Vor allem im Arbeitsleben wirken die Menschen schnell genervt, sie hetzen im Hamsterrad und es bleibt keine Zeit zum Innehalten und Reflektieren. Es ist fraglich, ob die "Rennerei" uns tatsächlich Abhilfe schafft oder nur in Betäubung, Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall Ausgebranntsein endet. Es wird nicht mehr reflektiert, wie es auch anders funktionieren könnte, es wird festgehalten an Strukturen und Abläufen, die krank machen und für Unzufriedenheit sorgen. Schade, ist aber manchmal nicht in der Hand des Einzelnen.

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