ma deuxième berceuse - comment je pouvais l'oublier

Schon bin ich wieder zu Hause. Sitze auf meinem Balkon - es ist 22.12 Uhr und die Sonne ist schon fast verschwunden, draußen ist es angenehm kühl. Wie anders war es in der Nähe von Nantes. Dort ging die Sonne viel später unter, es war länger hell und abends meist noch sehr lange heiß, heißer als bei uns hier. Erfreulicherweise hat es jedoch auch dort nachts abgekühlt sonst hätten wir Probleme mit dem Schlafen gehabt.

Als wir gestern die Rückfahrt angetreten haben und 1000 km durch Frankreich gefahren sind, ist meine ganze Verbundenheit zu dem Land massiv hochgekommen. Ich hatte mich davor mit einem französischem Spielerkollegen, der in Toulon lebt, ausgetauscht und dabei daran erinnert, dass in Frankreich meine "zweite" Wiege steht. Es ist seit ich denken kann, mein Sehnsuchts- und Wahlheimatland. 

am Loire Ufer
Kaum reise ich ins Land ein, ist es als ob ich in einen Fluss eintauche und dort quicklebendig wie ein Fischlein herumschwimme. Die Sprache trägt mich in diesem Fluss, sobald ich vor Ort bin und mich mit den Menschen unterhalte, denke ich auch in französisch und es fällt mir schwer zu übersetzen. Dabei ist es vollkommen egal ob ich jedes Wort verstehe oder nicht, ich verstehe immer den Sinn, den eigenen Humor und die Art zu denken. Ich mag das leichte Chaos, die Flexibilität und die Gelassenheit mit der jeder Situation begegnet wird. Auch erlebe ich die Menschen als hilfsbereit und offen, aber nicht aufdringlich. Wie Kugeln, die aneinander stoßen, man hat einen kurzen intensiven Plausch und dann geht jeder wieder in seine Richtung. Man macht seine Dinge in Ruhe und wartet ab, etwas was bei uns nie funktionieren würde. Zum Beispiel wir waren am Wochenende im Supermarkt kurz vor Ladenschluss einkaufen, die Kassen wurden nach und nach geschlossen, obwohl noch viele mit vollen Einkaufwägen herumstanden. Als ich schließlich doch noch eine offene Kasse erwischt hatte, stand vor mir ein Mann, der für eine Kompanie eingekauft und nicht auf jeder Ware auch die entsprechende Preisauszeichnung hatte. Der Mann an der Kasse versuchte in Ruhe herauszufinden, was denn das Produkt kosten könnte, erreichte aber niemand mehr in der Fachabteilung, bis sich schließlich einer aus der Warteschlange anbot, in der Abteilung die Ware nochmals kurz auszuwiegen. Dieses kleine Malheur dauerte seine Zeit (garantiert 5 Minuten), aber schließlich war alles eingegeben und es ging ans Bezahlen (der Marktmanager, ließ schon die Gitter runter) da musste der Kunde erst mal in aller Seelenruhe mindestens fünf EC- bzw. Kreditkarten ausprobieren, bis eine endlich bereit war zu bezahlen, das dauerte nochmals 5 (gefühlte 60) Minuten. Sowohl der Mann an der Kasse als auch wir nachfolgenden warteten gelassen, keiner regte sich auf, in Deutschland wär schon lange der Aufstand ausgebrochen. Der Käufer wär beschimpft worden, man hätte sofort nach dem Marktleiter gerufen, damit er gefälligst mehr Kassen, trotz Ladenschluss öffne. In Frankreich lebt man nach dem Motto: wir sind hier nicht auf der Flucht und haben Zeit. Was witzig war, als wir mit unserem Mini-Einkauf zum Auto kamen, war unser Auto eines der wenigen, die überhaupt noch auf dem Parkplatz stand en, selbst der langsame Käufer ist schneller weggekommen.

Weshalb steht meine zweite Wiege hier?

La Flotte
Nun ich wollte schon als Kind französisch lernen, das hatte weniger mit den heute lebenden Franzosen zu tun, als mit all den Historienschinken, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Wunderschöne, elegante Männer, Frauen, die immer gut angezogen und frisiert das Haus verlassen. Die Sprache war für mich Musik, nicht so melodiös wie italienisch aber sehr angenehm zum Aussprechen. Die Sprache habe ich tatsächlich auch in sehr kurzer Zeit gelernt. 

Mein erster Kontakt mit Frankreich war bei einer Familie im Loiretal. Ich dachte immer, dass alle Franzosen uns Deutsche hassen müssten wegen, dem ersten und zweiten Weltkrieg und dann wurde ich dort so herzlich aufgenommen. Ich konnte es nicht fassen, aber die Familie hatte lange in Algerien gelebt, der Mann ist zur Pensionierung nach Frankreich zurückgekommen, sprich sie waren Fremde gewohnt und akzeptierten die Menschen so wie sie sind.

Dann bin ich eher per Zufall in Marseille gelandet, eine Stadt, die ich noch heute liebe, die mir immer noch das Gefühl vermittelt, von dort abzustammen Viel mehr als Marseille kenne ich nicht von Frankreich, ich war auch schon lange nicht mehr im Land gewesen. Vor ca. 45 Jahren habe ich in Marseilles gelebt und war vor 8 Jahren das letzte Mal dort (= in Frankreich), aber die Sprache habe ich nie verlernt. Es ist wie eine Muttersprache, wenn man die mal erlernt hat, kommt sie von selber immer wieder.

Jetzt waren wir in Confolens zur europäischen Bogenschießmeisterschaft. Confolens ein Ort in der Mitte von Frankreich eher Richtung Atlantik zu. Wie beeindruckend die Menschen, die die Meisterschaft ausrichteten, waren. Es funktionierte alles in der Frankreich eigenen Geschwindigkeit und war zum Schluss hin immer besser organisiert. Auch da hatte ich ein interessantes Erlebnis. Wir hatten in einem sehr schönen mittelalterlichen Dorf einen Schießtag, einer der Einwohner - ein älterer Herr - erzählte uns stolz, dass wir auf seinem Land / Grundbesitz schießen würden, leider würden in dem Dorf kaum mehr Menschen leben. Die Häuser würden Menschen aus allen europäischen Gegenden gehören, nur ein paar ganz wenige Franzosen (meist Alte) lebten hier noch. Also haben auch in der Mitte Frankreichs die Dörfer dasselbe Schicksal, wie im Süden: die alten - schon verfallenden - Häuser werden an Ausländer als Ferienhäuser verkauft, diese richten sie her und vermieten sie im Sommer bzw. halten sich dann selbst im Ort auf. Leider haben nur so die Orte eine Chance zum überleben. Und die Orte sind zauberhaft, es wär schade, wenn sie verfallen würden. 

Les Minimes - öffentlicher Strand
Dann habe ich nach der Meisterschaft, endlich die Atlantikküste gesehen, mit Tide, so etwas kannte ich bisher noch nicht. Ile de Re - was für eine gastfreundliche und zauberhafte Insel. Es ist touristisch, aber erträglich, genauso ist es mit La Rochelle. Eine nette Stadt, aber mein Herz gehört Marseille. Auch stört mich die starke Orientierung auf den Tourismus, sowas passiert in Marseille nie, dazu ist der Ruf der Stadt zu schlecht. Später habe ich erfahren, dass La Rochelle mit eine der extrem teuren Studentenstädte ist. Naja die Uni liegt ja tatsächlich direkt am Meer, das ist natürlich attraktiv. Luminy, in Marseille, ist doch recht weit vom Meer entfernt.

Was dann aber wieder mein Herz erobert hat, ist Nantes. Welch eine schöne Stimmung in dieser Stadt ist und wieviel Kreativität einem entgegenspringt. Touristen fallen nicht so auf und gehen in all den Aktivitäten, die man dort machen kann unter. Wir sind natürlich gleich als erstes an einem meiner Lieblingsorte, einem Kulturzentrum, angekommen (Le lieux unique). Das war in Marseille mein Aufenthaltsort, er würde es hier auch werden, es sind Orte an denen man alles mögliche machen kann auch ohne Geld. Wir durften ohne Probleme unsere Roller dort laden und nebenher in der Bar für kleines Geld leckere Limonade trinken. Es hätte noch sehr viel in Nantes zu entdecken gegeben, leider haben wir es kein zweites Mal mehr in die Stadt geschafft. Da es eine Unistadt ist, wimmelt es von jungen Menschen dort. Das gefällt mir sowieso, ich mag die Lebendigkeit der jungen Menschen, ihre Sorglosigkeit und ihren Wagemut scheinbar sinnloses /nutzloses zu machen. 

Aber nicht nur Nantes war schön, auch meine Rollertour durch die Weinberge im Loire Tal. Ich war ganz allein unterwegs, Sonntag nachmittags und sehr heiß, da geht kein Franzose auf eine Landpartie. Durch den Fahrtwind auf dem Roller war es gut erträglich und man kann die Landschaft komplett in sich aufnehmen, nichts und niemand lenkt ab, nur mein Foto und ich sind unterwegs. Aber auch an der Loire entlang nach Nantes hineinzurollen, war ein Erlebnis. Es waren viele Radler unterwegs am Ufer entlang, und ich wurde zum ersten Mal in meinem Fotografenunterfangen, von einem Mann rund gemacht, wie ich sein Haus fotografieren könne. Ich habe freiwillig das Bild gelöscht, aber mir dann doch mal genauer angesehen, was der da so um sein Haus hat, ich bin mir sicher der verschiebt illegal Metalle und Geräte/Maschinen, und so hat er schön auf sich aufmerksam gemacht. Wie dumm, aber ich habe es nicht ausgenutzt.

Was soll ich sagen, dieser Urlaub war eine einzige Erinnerung an meine zweite Wiege, die ich einfach vergessen hatte....

PS: mein Vater war im Krieg, einige Zeit in Frankreich stationiert. Er hat die Zeit dort genossen und lange davon geschwärmt... vielleicht hatte er ein Liebchen dort... wer weiß, danach ging es für ihn weiter nach Stalingrad.

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