Über die Bedeutung der Verlierer

Heute ist ein entspannter Urlaubstag auf dem Zeltplatz… unter Bäumen, der Wind weht ein wenig, heute Morgen bin ich schon schwimmen gegangen, jetzt sitze ich mit einem Espresso und gehe einer meiner Lieblingsbeschäftigungen: dem Schreiben, nach.


Was gäbe es zu erzählen?

Heute vor einer Woche war die Siegerehrung auf der Europäischen Bogenschießmeisterschaft in Confolens. Erwartungsgemäß hatte ich die Silbermedaille erschossen, meine Konkurrentin war die Ehefrau eines (wahrscheinlich) aktiven italienischen Verbands Schützen, die mir gleich zu Beginn der Meisterschaft erklärte, dass sie das Bogenschießen hasse und es nur wegen ihrem Mann mache. Sie würde nach dieser Meisterschaft aufhören, aber ein letzter Sieg war wichtig und da sie im Gegensatz zu mir trainiert hatte, hat sie auch verdient die Goldmedaille erhalten. Meine weiteren Mitschützinnen waren eine junge Tschechin, die hervorragend schießen konnte, aber auch sie wollte nach der Meisterschaft mit dem Bogenschießen aufhören… warum? nun meine Vermutung ist, dass der Vater viel zu sehr hinterher war, ihr Talent zu fördern… Dann gab es noch „meine“ ungestüme Irin. Sie war aus der Jugendkategorie in die Kategorie junger Erwachsener gerutscht und nicht vorbereitet auf die weiteren Schieß-Distanzen dementsprechend wenig Treffer konnte sie landen, halt wie bei mir, aber sie war treffen und siegen gewohnt. Ihre Enttäuschung konnte sie nicht in Griff bekommen. Also war ich sehr damit beschäftigt sie aufzubauen und zum hoffnungsvollen Weitermachen zu motivieren, vor allem nach ihrem Sturz. Was für ein Unterschied zwischen der jungen Tschechin und der Irin, beide gleich alt.

Bei dieser Meisterschaft ist mir klar geworden, wie wichtig Verlierer für andere sind. Ich finde, dass ich eine essentielle Rolle hatte, zu trösten, zu motivieren, das Gefühl zu vermitteln, es gibt noch schlechtere und zu zeigen, die sind deswegen nicht unglücklich. Es gab einen traumhaften Stadtparcours, der für uns wir eine Einpfeilrunde war, bei diesem Parcours habe ich gerade mal schlappe 20 Punkte erreicht, was solls … ich habe jeden Schuss auf diesem Parcours genossen.

Beim Einmarsch der Nationen in Confolens, lief neben mir eine junge Deutsche, die in heller Auflösung war, sich fragte was sie hier mache und in heller Panik gegenüber all den Testosteron (kraftstrotzenden) Schützen war. Auch sie habe ich versucht aufzubauen und ihr erklärt, dass ich trotz dem Wissen sehr wenig Punkte erreichen zu können, einfach mitmache und die Menschen um mich herum genieße. Um diese junge Frau haben sich viele gekümmert und am Ende der Meisterschaft, war sie dann doch ganz munterer Dinge und meinte, sie müsse noch ein wenig von meiner Gelassenheit lernen.

Die Veteraninnen mit ihren Medaillen
die erarbeitete Medaille
Obwohl ich zu den schwächeren gehöre, lande ich mangels Konkurrenz in meiner Altersklasse immer auf dem Siegertreppchen. Bisher sind immer alle Schützen, die mit mir in einer Gruppe waren, ebenfalls auf dem Treppchen gelandet…. Meine kleine Irin auch und von ihr habe ich einen Irlandschlüsselanhänger erhalten, meine eigentliche Medaille, die ich dafür erhalten habe, dass ich ihr beim Durchhalten geholfen haben. Ich bin stolz auf diese Medaille!



Noch ein schönes Erlebnis: unsere Gruppe hatte sich als Erkennungszeichen orangene T-Shirts machen lassen, ohne dass uns bewusst war, 
Oranje boven
dass dies die Farben der Niederländer sind. Die Niederländer hatten kein Problem damit, im Gegenteil sie fanden es lustig. Die deutsche Mannschaft wollte mich aber mit diesem T-Shirt nicht auf dem Mannschaftsfoto haben. Ich solle zu den Niederländern gehen was ich auch getan habe. Diese haben mich mit meiner Silbermedaille aufgenommen und es war eine Freude mit ihnen das Bild zu machen. All die Lebensfreude, die ich bei den Deutschen vermisst hatte, habe ich von ihnen bekommen. Es macht mich nur traurig, dass Erik, unser Nachwuchsschütze aus Solidarität mit mir auch nicht auf das deutsche Mannschaftsfoto ging, und jetzt noch nicht mal auf dem Foto mit den Holländern drauf ist. Das ist schade, denn sie hätten ihn garantiert auch mit dem völlig fremden (nicht orangenen) T-Shirt akzeptiert.


Quintessenz: Verlierer sind für den Seelenfrieden anderer Menschen wichtig und sie können deswegen trotzdem Medaillen erringen.

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