Neues Raumerleben durch die Stadtbahnnutzung

Seit ich regelmäßig mit der Stadtbahn in die Arbeit fahre, hat sich Umwelt-Erleben verändert.

Bei einer Diskussion im Familienkreis zum Leben auf dem Land, wurde mir bewusst wie sehr sich meine Sichtweise zu unserem Dorf verändert hat. Die Aussage war, dass wir in Baden-Württemberg im Grunde nicht mehr das "frühere" Dorf haben, sondern viele Dörfer im Speckgürtel von größeren Städten liegen und fast so angebunden sind wie einzelne Stadteile von den großen Städten.


Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Tatsächlich habe ich inzwischen das Gefühl in einem "Stadtteil" von Heilbronn zu leben. Ich falle quasi aus dem Bett in die Stadtbahn, so nah liegt die Stadtbahn bei meinem Häuschen. In 20 Minuten bin ich in Heilbronn, schneller als mit dem PKW, und habe von unserem Dorf aus alle halbe Stunde eine Anbindung in die "Stadt". Das sind natürlich optimale Bedingungen, die nicht jeder hat. Vor allem weil ich viele meiner Aktivitäten in der Innenstadt von Heilbronn stattfinden, ich also nicht auf Umsteigen angewiesen bin um zu meiner Arbeit bzw. Aktivitäten zu kommen. Schon allein wenn ich nach Neckarsulm müsste wäre es mit Öffis aufwendiger als mit dem Auto. Es hängt also von angepeiltem Ziel ab, welches Verkehrsmittel ich wähle.


Als ich noch regelmäßig mit dem Auto zur Arbeit nach Heilbronn fuhr, kam mir unser Leben im Dorf wirklich als etwas abgesondertes vor, das mit der Stadt wenig zu tun hat. Nun ich unternahm auch mehr im Dorf, ging im Ort in den Gesangsverein, meine Tochter war im Musikverein, es gab eine Dorf-Kult-Kneipe und einen Metzger, einen Bäcker und eine Gemüse"Türkin". Jetzt nach Corona - wahrscheinlich wär es auch ohne Corona so gekommen - gibt es nur noch einen Halbtagsbäcker, eine Halbtagspost und zwei Geldautomaten. Der Gesangsverein ist auch geschrumpft, aber es gibt ihn noch genauso wie den Musikverein. Das autarke, das in dem Dorf gelebt werden konnte, ist deutlich geschrumpft. Gleichzeitig bin ich aber immer mehr Richtung Heilbronn orientiert. Dort arbeite ich, dort verbringe ich viel meiner Freizeit, ich wohne immer mehr nur noch im Grünen...

Deshalb ist unser Dorf jetzt sowas wie Dahlem in Berlin für mich geworden. Ich fühle mich wie in einem Stadtteil einer größeren Stadt, in der ich auch mindestens eine halbe Stunde unterwegs bin, bis ich in die jeweils angesagten Szenekieze komme. Wenn ich in Leipzig bin, auch da muss ich wenn ich ins Gewandhaus möchte mit der Straßenbahn fahren. Da wohnt niemand mehr in der Innenstadt, es gibt Stadtbereiche, da kann man noch zu Fuß ins Zentrum kommen, aber so viele sind das auch nicht mehr. 


Subjektiv habe ich das Gefühl, dass durch die S-Bahn Heilbronn, aber auch Schwäbisch Hall näher an mich herangerückt ist. Wenn ich inzwischen nachts vom Singen oder Spielen mit dem Auto zurück ins Dorf fahre, kommt es mir richtig weit weg vor. Dabei verlaufen die Straßen und die S-Bahn fast parallel. Wenn ich allerdings nach Neckarsulm fahren müßte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dann käme mir die Distanz bedeutend länger vor, da es keinen Direktweg dort hin gibt, alles führt über die Innenstadt von Heilbronn. Also fällt die Wahl auf das Auto, für diese Direktion. Dafür steht man morgens, wenn man nach Neckarsulm rein möchte im Stau. 

Es kommt also darauf an, wo man hinmöchte, dementsprechend wird das Verkehrsmittel gewählt und die Strecke als nah oder sehr weit entfernt wahrgenommen. Dazu kommt, dass meine Orientierung sich verändert hat, weg von den kleineren Städten, die ein beschränktes Angebot haben, wieder hin zu den größeren Städten, wo mehr Auswahl geboten wird. 

Das liegt jetzt nicht nur an den Öffis, vielleicht auch an meinem nicht mehr vorhandenen Familienstand und meinem Alter. Da zieht es einen doch wieder mehr in die Städte, weil dort das Angebot auch für ältere größer ist. Kino, Theater, Musik, Parks, Einkaufen, Kneipen, alles was der Zerstreuung dient.

Einiges davon bietet auch Heilbronn.



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