Marseille ich komme….
Start in Freiburg |
Ich sitze im TGV, einem Traum von dem ich schon lange träume,
bin auf dem Weg von Freiburg nach Marseille.
TGV war für mich als junge Frau,
die in Marseille als aupair lebte, unerschwinglich aber schon damals die
schnellste Fortbewegungsmöglichkeit. Der TGV war modern, schnell, tolles
Lebensgefühl, schließlich hatte ich ja noch alles im Leben vor mir. Nur leisten
konnte ich es mir nicht…
Ich lebte von 1976 – 1977 in Marseille, einer Stadt von der
ich im Grunde noch nie was gehört hatte. Ursprünglich wollte ich nach Paris,
aber da hatte ich keinen aupair-Platz bekommen, dafür in Marseille. Es war nach
der Schule alle hatten ihr Studium angefangen, ich musste Zeit überbrücken
wegen des Numerus Clausus in Psychologie, also wartete ich auf einen Studienplatz in
Frankreich.
Diese Zeit bis ich nach Marseille konnte war, eine sehr
schwere Zeit, für alle ging es weiter, nur ich war im gefühlten Stillstand
gefangen. Meine Mutter hatte einen Herzinfarkt hinter sich und beide waren wir
zum Warten mit ungewisser Zukunft verdammt. Bis endlich die Zusage für
Marseille kam. Also ging ich in die Bücherei und informierte mich erst mal, wo
ich überhaupt hingehen würde.
Der Ruf der Stadt war nicht besonders, vor allem
Kriminalität, Rassenunruhen dafür war die Stadt damals bekannt. Mein Vater
verband sofort die Fremdenlegion mit der Stadt, vor der ich mich zu hüten
hätte… damals wurden noch keine Frauen dort angeheuert. Meiner Mutter wurde
Angst gemacht, in dem man ihr von dem schwunghaften Mädchenhandel in den
Maghreb erzählte. Mich konnte aber nichts halten, ich wollte nur weg, wollte
Bewegung, es sollte was passieren.
Und dann kam ich in dieser überwältigenden Stadt an. Schon
allein, wenn man die Treppen des Gare St. Charles runter geht, ist man in einer
anderen Welt. Ich wurde sofort zum Marchée au Capucin geschleppt (Süden pur),
lebte in einem Park mit Meerblick, fuhr jeden Tag mit dem Bus am Meer entlang
um in die Innenstadt bzw. in die Quartiers zu kommen, in denen meine Freunde
lebten. Und ständig schien die Sonne, wie anders als in Deutschland es doch war,
vor allem im Winter.
früher Marche au Capucins, heute Marche au Noilles |
Marseille war nicht immer leicht, es gab auch dort Zeiten,
wo man mit sich selbst konfrontiert wurde und die Stimmung aufkam, die es zu
Hause auch gab (schließlich hat man sich selbst immer dabei) . Aber Marseille bedeutete mit Menschen aus aller Welt
zusammenzukommen, einen wirklich tollen Freundeskreis zu haben, südländisches
Leben, das vieles gelassener anging, z.B. Pünktlichkeit war relativ, wenn man
da war, dann war man auch wirklich bei den anderen mit Herz und Seele.
Marseille bedeutete Kultur, Stadtplanung (meine Arbeitgeber
waren Städteplaner und arbeiten für die Stadt Avignon, bzw. die Cote d’Azur.), es waren
die Calanques in die man in der Freizeit ging, Cabanons in den Bergen vor Aix
en Provence, in denen man am Wochenende Wanderungen machte und darin
übernachtete. Cabanons waren Schutzhütten, in denen man auf Stroh schlief,
jeder kam und ging wann er / sie gerade ankam, waschen mußte man sich in den
Gebirgsbächen, einfach sehr ursprünglich. All das war Abenteuer für eine junge
Frau – damals war ich 20 es lag noch das ganze Leben mit all seinen
Möglichkeiten vor mir. Wir waren alle so jung und alle in derselben Situation.
Nur war es für meine französischen Freunde schon damals viel
schwerer eine Arbeit zu finden, viele mußten aus der Region weg, oder waren
lange arbeitslos. Auch das Studium war gnadenloser, es konnte jeder anfangen,
aber innerhalb des ersten Jahres wurde gnadenlos herausgeprüft. Das war der
Grund, dass ich sofort nach Deutschland zurückkehrte, als ich nach einem Jahr
Wartezeit einen Studienplatz in Tübingen bekam.
Marseille habe ich lange Jahre als meine ideelle Heimat
betrachtet, ich bin am Anfang so oft es ging nach Marseille gefahren. Dann
gingen immer mehr Freunde weg, der Kreis veränderte sich und ich fuhr immer
häufiger nach Berlin… so kam es, dass ich bald 30 Jahre nicht mehr in Marseille
war.
Aber jetzt… und meine Aufregung ist groß. Was wird mich
erwarten, eine runderneuerte Schönheit? In zwei Stunden werde ich mehr wissen.
(Übrigens, ich komme wieder wie vor 38 Jahren am Gare St.
Charles an).
April 2014 |
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